April 2006 Bali zum Ersten
Nun sind wir also in Bali, Thea und ich. Der lange Flug (ohne ein einziges Raucherabteil !) war erträglich. Und die dabei empfundene Langeweile wird in ein paar Tagen vergessen sein.
Mit dem Verlassen des Flughafens klatscht mir die Hitze wie ein feuchtes Handtuch entgegen. Panikartige Flucht zum Auto von Judith, die uns am Flughafen abholt. Aber in diesem Auto könnte man Brötchen backen, es stand eine Stunde in der prallen Sonne. Und so entscheide ich mich erstmal unter einem spärlichen Schatten Schutz zu finden. Später, auf dem Weg zum Hotel: neue Gerüche, chaotischer Verkehr und viele exotische Eindrücke.
Im Hotel fühlt man sich wie in einem Bali-Prospekt, alles schmuckvoll, sauber, freundlich, hilfsbereit. Später werde ich entdecken, dass dieses Getto an der Eingangspforte abrupt sein Ende findet.
Der Süden der Insel scheint mir vom Tourismus versaut zu sein. Kommt noch dazu, dass die Touristen ausbleiben, sodass man von den vielen, vielen Händlern fast aufgefressen wird. Hat man einen abgeschüttelt, so lauern schon 10 andere auf die fette Beute. Wie schüttelt man diese Leute ab, ohne unanständig zu werden? Keine Ahnung.
Der Strassenverkehr ist der zweite wesentliche Eindruck: Chaotisch ist eine masslose Untertreibung. Menschen, Horden von Mopeds mit ganzen Familien drauf, Autos, Hunde, Schubkarren wälzen sich durch enge Strassen hupend, links und rechts fahrend, unvorsichtig sich und Andern gegenüber und immer auf den eigenen Vorteil bedacht und immer gelassen gegenüber dem Durchsetzungsvermögen der andern Verkehrsteilnehmer. Nur: rechthaberisch ist Keiner, warum auch, es scheinen keine Regeln zu existieren. (am ehesten noch für die Hunde, die sich strategisch mitten auf einer Kreuzung platzieren und zu recht damit mit rechnen, dass jeder einen Bogen um sie macht). Ich bin erstaunt, dass wir an keinem einzigen Unfall vorbeikommen. Später werde ich entdecken, dass die balinesische Lebensart sich im Verkehr recht genau widerspiegelt.
Authentisch scheinen mir auch die Zeremonien zu sein. Zur Zeit findet gerade das Neujahrsfest statt. Das dauert etwa 4 Tage. Nachdem man sich von allen schlechten Geistern des vergangenen Jahres frei gemacht hat, werden diese in einer Art Fasnachtsumzug (Karneval wäre nicht treffend) ins Meer gejagt. Anschliessend verstecken sich alle Menschen in den Häusern, keine Autos, keine Mopeds, keine Flugzeuge, keine Fussgänger, kein aber wirklich kein Licht nach aussen, die ganze Stadt wirkt wie ausgestorben (sagt man, ich selbst bin ja im Hotel), sodass die unguten Geister wenn sie sich von ihrem Schock erholt haben und vom Meer zurückkehren meinen, die Insel sei menschenleer und sich eine andere Insel für ihr Unwesen suchen.
Ja und dann sind da noch die in Bali arbeitenden Ausländer, die Expats. Ich habe davon vielleicht 5 bis 8 kennen gelernt. Irgendwie sind mir alle ein bisschen wie Glücksritter/Goldgräber vorgekommen. Immer auf dem Sprung zum nächsten (vermeintlich grossen) Geschäft. Sie bilden in Bali eine eigene Kaste mit gut funktionierendem Informationsfluss, aber trotzdem kämpft jeder für sich und die Beziehungen untereinander scheinen eher locker höchstens kollegial und kaum resp. sehr selten freundschaftlich zu sein.
Die Bodenpreise hier im Süden von Bali sind schon mehr als überhitzt. So zwischen 400 und 800 Euro pro m2 !!. Und das ohne Strandansstoss und ohne Erschliessung mit Wasser, Strom und Strassen. Nach einigen Tagen haben wir die Hoffnung schon beinahe aufgegeben. Allerdings Mietobjekte zu vernünftigen Preisen (für europäische Verhältnisse) lassen sich finden (eine Stunde ausserhalb der Hauptstadt, mitten auf dem Lande). Aber dann finden wir doch noch eine zum Kauf ausgeschriebene Immobilie. Nicht übermässig gross, nicht überall im besten Zustand, mitten in traumhaft schönen Reisfeldern (Mücken !) und weitab vom nächsten Dorf mit Einkaufsmöglichkeiten. Aber alles in allem: gut genug und für unser Budget erschwinglich.
Aber wir entschliessen uns auch noch in den Norden der Insel zu reisen. Dies obwohl uns bisher alle Expats (Ausländer) vom Norden abraten (kein Supermarkt, keine Expats, keine Restaurants, kein Business).
Auf dieser Reise haben wir erstaunlich viel und ausgezeichnete Kunst gesehen. Überhaupt scheinen die Balinesen im Wesen und kulturel sehr musisch zu sein. In der Malerei sind die unterschiedlichsten Stile vertreten: von traditionell, primitiv, impressionistisch, expressionistisch, konkret, abstrakt, kitschig und sackstark, einfach alles. Und das zu Preisen, die in der Schweiz kaum für eine Woche Miete des Atellies reichen würden. Viele Künstler haben sich zu Genossenschaften zusammen geschlossen. Dort leben und arbeiten sie. In der Regel (finanziell) jeder für sich. Die Funktion der Genossenschaft besteht darin die Bilder auszustellen und zu verkaufen. So eine Genossenschaft kann bis zu 100 Künstler umfassen. Nebst der Malerei findet man auch umwerfende Arbeiten in Skulpturen. In den unterschiedlichsten Materialien und Stilen.
Und ebenfalls auf dieser Reise auf über 2000m durch Nebel und terrassenförmig angelegte Reisfelder mit tiefen Schluchten und reissenden Bächen entdeckten wir Balis Landschaft noch schöner und exotischer als in den Ferienprospekten.
Der Norden präsentierte sich dann wie eine andere Insel. Auf der einen Seite Berge auf der andern Seite ein ruhiges Meer und dazwischen eine ca 3 km breite fruchtbare Ebene mit Wein, Gemüse, Früchten und alles im Überfluss. Die Menschen sind freundlich und machen die (wenigen) Touristen nicht an. Alles ist viel natürlicher aber auch etwas schmudliger und provinziell.
Wir haben die Einkaufsmöglichkeiten im Supermarkt erkundet und festgestellt, dass das Angebot ungefähr dem Quartier-Lebensmittelgeschäft (und noch etwas mehr, dafür auch etwas weniger) entspricht. Nonfood erhält man in der regionalen Hauptstadt in zig Läden und so ziemlich alles was man für den normal Bedarf benötigt. Arzt, Spital und Apotheken sind vorhanden und für einen Blinddarm oder Beinbruch gut genug. Restaurants gibt es genau 2 mit europäischem Niveau, aber die sind wirklich Spitze. Eines davon gilt in Bali als übertrieben teuer (weltweit bekannter Spitzenkoch mit Bücher Auszeichnungen usw) das bedeutet: 3 Personen mit Wein Champagner und 5 Gang Menue (ein Traum) total CHF 200.
Und dann haben wir ein mögliches Grundstück besichtigt. Direkt am schwarzen, schmalen, leicht abfallenden Strand; Weit genug von der Hauptstrasse entfernt, sodass man die teilweise sehr sehr lauten Motorrräder nicht mehr hört und viel, sehr viel Land und die Möglichkeit günstig, sehr günstig und somit grosszügig, wirklich grosszügig zu bauen und den Eindruck, dass der Bauunternehmer ein verlässlicher Partner sein werde (Referenzen, Umgang mit Kunden). Und am nächsten Tag haben wir zugeschlagen. Anfang nächstes Jahr werden wir einziehen können. Ja ja, wer hätte das noch vor 6 Monaten für möglich gehalten?
So und jetzt sitzen wir wieder im Hotel im Süden und erholen uns von den vergangenen 2 sehr intensiven Wochen. Selbst ich habe das Bedürfnis mal 2 Tage einfach nichts zu tun
Die nächsten Monate werden recht anstrengen sein: Englisch lernen, Aufräumen und Packen, Visum, Abmelden, Wohnung verkaufen/vermieten, Container packen, verabschieden Einladungen aussprechen, Abnehmen (der Hitze wegen) Verträge, bauen, Bauentscheide usw. usw.
Wir wollen uns so organisieren, dass ich bereits im Juli in Bali sein werde, um den Bau vor Ort zu begleiten. In dieser Zeit ordnet Thea in Uster alles mit unserem Exodus.
Und so gönnen wir uns eine Woche Ferien, was allerdings eine langweilige Angelegenheit ist. Am Pool sitzen, dösen, Cola trinken, plaudern, dösen, im Pool sitzen, Essenszeit planen, in den Schatten zügeln, dösen, plaudern usw.
Trotz unseren "Ferien" sind wir nicht ganz untätig. Ein Besuch in der Botschaft, ein Besuch bei einem Bekannten, der eine ganze Siedlung baut. Wir haben viele Tipps bekommen, viele davon widersprüchlich, aber alle gut gemeint und voller Überzeugung. Überhaupt: Ich habe den Eindruck, dass in Bali jedermann/frau in jedem Gebiet ein Spezialist ist. Immer genau das, was er gerade unternimmt (Bau, Gastwirt, Handel) ist so und nur so richtig. Und die negativen Beispiele haben komischerweise immer Andere erfahren. So ist es denn an uns selbst, aus allen guten Tipps jene herauszufischen, von denen wir annehmen, dass sie Hand und Fuss haben.
Interessant auch der Gesichtsausdruck der Expats, denen wir erzählen, dass wir im Norden zu wohnen gedenken: Um Gottes willen, hoffentlich geht das auch gut (sagt der Gesichtsausdruck) und sagen dann: oh schön für euch, es wäre aber nichts für mich.