Raymond alone at home

Was heisst schon wieder Mittwoch auf englisch, wollte ich Andrea noch fragen, aber Sie war bereits abgereist. Und da sitze ich nun mitten in Asien unter dem Aequator einsam auf einer der weltweit dichtest besiedelten Insel und die vielen Menschen, die das Meer über die vielen Jahrhunderte wie Treibgut angeschwemmt hat, sprechen mit fremden Zungen.

Aber ich werde sehen, hat Andrea noch gesagt, in 3 Monaten würde ich fliessend englisch sprechen, so, wie ich in den letzten Tagen Fortschritte gemacht hätte. Vor lauter Begeisterung ob der rosigen (englischen) Zukunft hab ich aber die Gegenwart vergessen in der ich nun sitze.

Es ist auch etwas ruhiger geworden, nur unterbrochen vom Geräusch des Reisbesens des Gärtners, der die Blüten des letzten Tages zusammen kehrt und der mich, wie immer, freundlich begrüsst (auf englisch, nehme ich an).

Andrea fährt noch über die DEN Aussichtspunkt in den Bergen und wird dann nach gut zwanzig Reisestunden geduldig, die Fragen der Zurückgebliebenen beantworten (wie gehts, war es schön, wird es schön und wie geht es Raymond). Alles wird Besser auf Bali, wird sie antworten. Und Thea wird den versteckten Sarkasmus wie ein fernes, vertrautes Echo wahrnehmen. Das abendliche Ritual werde ich nun alleine vollziehen: Vorhänge ziehen, Türen schliessen (mit Ausnahme jener, die sich nicht schliessen lässt und die mich jedes mal hinterfragen lässt, warum ich eigentlich die andern Türen verschliessen soll) dann Lichter löschen, die enge Treppe in das obere Stockwerk auf den Balkon und dort, in völliger Dunkelheit, mit Blick auf das Meer (von dem man weiss, dass es immer noch da ist weil sich die Wellen sanft am Ufer Brechen) eine Zigarette anzünden, deren Glimmen in der unendlichen Zahl von Sternen nur an der Farbe erkennbar ist.

Und dann, der Mücken wegen, bei Dunkelheit ins Bett. Und dann meldet sich, ganz nahe am Ohr jene Mücke, die mich bereits letzte Nacht besuchte. Und wie auch in letzter Nacht erhält die Mücke auch in dieser Nacht die erwartete Ohrfeige. Worauf ich mit der Gewissheit einschlafe etwas für meine Sicherheit getan zu haben und die Mücke endlich, endlich ihrer Nahrungssuche nachgehen kann, wie ich am nächsten Morgen feststellen werde.

Aber sonst ist Bali friedlich und eine sichere Insel. Nicht zuletzt deshalb, weil die Hindus von klein auf lernen, dass sich Wohlstand und innerer Friede nur durch viele, viele ordentlich gelebte Leben als Hund oder Reisbauer oder korrupter Minister erreichen lässt.

Während in Europa die Hitzewelle Wälder, Gletscher und alte Menschen frisst und vermutlich die Meere ansteigen lässt, bläst hier eine sanfte Brise über "mein" Grundstück auf dem in knapp 4 Monaten und knapp über dem Meer, DAS Haus stehen wird.

Der hiesige Terrorismus findet ja bekanntlich im Süden der Insel statt. Ganz selten zwar aber doch oft genug, sodass die westliche Presse ihr Sommerloch stopfen kann und in der Folge die Touristen fernbleiben. Und die ehemaligen Reisbauern, die als Händler einen gewissen Wohlstand erworben haben, die Raten für das Motorrad, das sie als Reisbauern nicht benötigt hätten, nicht mehr bezahlen können.

Nun, ich scheine etwas schwerblütig zu werden. Dabei haben sich doch die Staffs und Jaquline so sehr um mich bemüht. Ich solle jederzeit rufen, wenn ich etwas brauche und sie seien jederzeit für mich da.

Also soo allein bin ich nun auch wieder nicht und all die obigen englischen Sätze scheine ich ja verstanden zu haben. Und morgen gehts dann auf die Baustelle. Und ich werde den rechten Winkel ganz genau ausmessen (Dreieck mit einer Kantenlänge von 3 zu 4 zu 5) und ich werde mich mit dem Architekten unterhalten und den beiden alten Bauarbeitern eine gierig erwartete Zigarette anbieten. Und, wenn immer möglich, mich höllisch über eine Kleinigkeit aufregen und dabei ganz cool bleiben. Am Nachmittag werde ich auf den Markt in Seririt fahren. Einkaufen, Eindrücke sammeln, den Fahrer warten lassen.

Und am Abend, wenn das Internet aus dem täglichen Dornröschenschlaf erwacht ist, etwas rumsurfen und an diesem Wochenmail (vermutlich in besserer Laune) weiter schreiben.



Und zweitens kommt es anders: Das wichtigste vorweg: es war heute schwül und über irgend eine Kleinigkeit wollte ich mich nicht aufregen und schon gar nicht höllisch. Ja, ich war auf dem Bau. Im Rahmen der Diskussionen (und es wird viel und gerne diskutiert) haben wir festgestellt, dass das ganze Haus 45 cm mehr nach links (vom Meer aus gesehen) rutschen muss. Dies weil keiner an die Trainage rund ums Haus gedacht hat und trotz dieser Trainage noch etwas Raum für eine Bepflanzung bleiben sollte.

Also der Rechte Winkel kommt dann am Freitag dran, dann wenn alle Schnüre neu gespannt sind. Das Haus steht übrigens ca 5 cm schief zur Grundstücksmauer. Oder die Grundstücksmauer wurde um 5 cm schief abgemessen. So genau kann ich das nicht feststellen. Aber die 5 cm gehen nicht zu Lasten des Nachbars und das Haus sowie die am Haus ausgerichtete Grundstücksmauer (!!) stehen garantiert auf meinem Land und so habe ich diese 5 cm zu 0 cm erklärt. So geht das also auf Bali. Und wenn man berücksichtigt, dass der vom Geometer gesetzte Grenzstein um ca 3 cm wackelt, so wissen eigentlich auch die Götter auf Bali nicht wer und was nun eigentlich schief ist. Das haben die Bauarbeiter natürlich auch gewusst. Aber freundlich, wie man hierzulande nun einmal gegenüber den Ausländern ist, haben sie geduldig Schnüre gespannt und gemessen. Und dann anerkennend mit den Augen gezwinkert, als ich die 2 oder 3 oder 4 oder 5 cm durchgehen liess.


Ja und dann ist da noch neu eine Grube. 2 Meter im Durchmesser und ca. 2 Meter tief. Hier wird das Grundwasser für den Mörtel geschöpft. Nicht salzig hab ich mir versichern lassen. Ich werde es noch überprüfen, denn Salz und Mörtel vertragen sich schlecht (denke ich, weiss es aber nicht genau). Wer denn haften würde, falls jemand in die Grube fallen würde, wollte ich noch wissen. Ein allgemeines Gelächter erklärte diese Frage zum besten Witz des Tages.

Die beiden alten Bauarbeiter waren übrigens nicht da. Irgendwie hab ich sie vermisst. Ich hoffe, sie liegen nicht in der Grube.



Theas Schwester, Judith ist einem Schmetterling gleich wieder aufgetaucht. Wir haben geplaudert über die bösen und guten Geister und die Priester, die damit umzugehen zu wissen glauben. Und dass wir dann in zwei Jahren nochmals darüber plaudern werden, wenn ich (wovon Judith ueberzeugt ist) die Existenz dieser Geister nicht mehr so lauthals wie jetzt in Abrede stellen werde.

Was solls, solange ICH die Feurzeuge selbst wieder einsammeln muss und kein Priester auf dieser Insel das Entropie-Gefälle für Feuerzeuge wegzaubern kann solange glaube ich nicht an Geister sondern an das Gesetz der Entropie (das in etwa mit schönen Worten besagt, dass alle gerichteten Kräfte zu chaotischen Bewegungen streben) Das Dumme ist nur, dass kein Physiker auf dieser Welt weiss, was die Ursache des Entropiegesetzes ist. Wer weiss, vielleicht sind da dann doch Kobolde am Werk, die sich im Chaos am wohlsten fühlen. Oder vielleicht sagt man im Westen einfach Physiker und auf Bali Priester und meint eigentlich dasselbe.

Mit Judith bin ich dann in eine Steinhandlung gefahren und anschliessend zur Baustelle. Ich habe nur Photos gemacht. Messen ist dann morgen wieder angesagt. Die Baustelle erinnert mich an Informatikprojekte. Es sind in etwa 20 Leute auf der Baustelle, davon arbeiten im Normalfall 5 Personen, gelegentlich vielleicht auch mal kurzfristig 10 Personen. 5 Personen, darunter meine Kotaktperson, der Architekt und noch zwei, mir unbekannte Personen sowie der Dorfpolizist sitzen im Schatten und plaudern und plaudern (ganz offensichtlich das Management und die Qualitätssicherung). Ein hagerer Mann eilt umher und ist jederzeit überall, gibt Anweisungen und legt gelegentlich selbst Hand. Der Plauderklup begegnet diesem Mann etwas von oben herab aber irgendwie doch respektvoll/ängstlich. Ein Satz von diesem Mann lässt den Plauderklup für 1 bis 2 Minuten schnattern. Er spricht nicht englisch und ich kenne seinen Namen nicht, ich nenne ihn mal graue Eminenz. Ja und dann sind da natürlich noch jene Leute die all die Materie, aus dem ein Haus geschaffen ist, wegtragen, hintragen aufbereiten oder aufschichten nebst dem Mörtelmischer, der eher einem Maschinisten gleich seine Misch-Trommel mit dem angeflanschten Motor rund um die Uhr zu pflegen scheint. Einige Kinder bewegen sich am Rand des Geschehens neugierig, was da alles geschwatzt wird und lernen fürs Leben.



Judith ist redlich bemüht, mich vor Fehltritten zu bewahren. Ich solle nicht zu viel kontrollieren und wenn, dann nur das Resultat und nicht den Weg dahin. Die Balinesen kämen auf völlig anderem Wege zum selben Resultat. Und das sei ja nicht das erste Haus, das auf Bali gebaut würde. Und ich müsse darauf achten die Abläufe nicht zu behindern.

Ich fragte sie dann, wie sie sich denn in der folgenden Situation verhalten würde: Das Grundwasser auf dem Gelände wird für die Aufbereitung des Mörtels und des Betons benutzt. So nahe am Meer könnte das Grundwasser salzhaltig sein und damit wäre in spätestens 5 Jahren das Eisen im Beton zerfressen. Und die Hütte würde einstürzen.

Das sei ja schlimm und sie würde wetten, dass das Grundwasser, so nahe am Meer, salzhaltig sei und da müsse ich unbedingt den Vertragspartner einschalten und der müsse dann eben das Wasser in Tankfahrzeugen hinführen.

Ich war mir da nicht so sicher, weil der Wasserpegel des Grundwassers ca 50 cm über dem Meeresspiegel liegt. Von einer Wette konnte ich sie dann abhalten.

Der angenehme Teil dieser Unterhaltung lag darin, dass Judith vom Grundwasser kostete und zu ihrem Erstaunen feststellte, dass es nicht salzig sei. Morgen werden wir dann sehen ob sie einsatzfähig ist oder mit Durchfall die Nähe des Woodenhauses bevorzugt und die Papayas, die sie für solche Fälle schon mehrfach lobend erwähnt hat, mit dem Immodium, das ich in meiner Hausapotheke führe, liebend gerne vertauscht.



Inzwischen sind 40 Arbeiter auf der Baustelle. Und die graue Emminenz er heisst wie die meisten Balinesen Gede, dirigiert diese wie ein grosses Orchester. Heute war kein Schwatzklup anwesend und ca 80% der Arbeiter arbeiteten gleichzeitig.

Zur Zeit werden die Gräben entlang der Grundmauern ausgehoben und dieses mit schwerem Geröll gefüllt. Gleichzeitig sind einige Arbeiter/innen damit beschäftigt die Armierungseisen für die Fundamentmauern vorzubereiten.

Inzwischen ist die Wasser-Grube abgedeckt; mein Kontaktmann machte mich speziell darauf aufmerksam. Die Abdeckung erhielt natürlich meine volle Anerkennung.

Heute wurden weitere Gebäude auf dem Grundstück plaziert: Das Woodenhaus oder hier auch Lumbung genannt. Das Staffhouse und der Carpark. Der genaue Standort des Workhouse ist noch offen. Da warte ich zuerst die Fertigstellung der Grunstückmauern ab.

Dann demonstrierte ich noch, dass der rechte Winkel des ausgesteckten Lumbung nicht wirklich korrekt war. Die Arbeiter massen nach und kamen nach einigem Schwatzen zum selben Resultat. Natürlich ist das in der jetzigen Phase noch nicht relevant (wie ich inzwischen weiss) aber es ging mir mehr darum Präsenz zu markieren. Judith war ausnahmsweise mit der Demo einverstanden.