Balinesische Küche

 

Ich erinnere mich noch an das indonesisches Restaurant in der Schweiz. Eine wirklich feine Sache. Und so freute ich mich natürlich auch auf die indonesische Küche hier in Bali. Aber weit gefehlt: balinesische Küche ist nicht gleich indonesische Küche. Und was den Touristen als balinesische Küche vorgegaukelt wird, wäre für die meisten Balinesen unzumutbar. Zu wenig Reis, zu wenig scharf oder süss oder fettig, zu viel Gemüse und das alles bei einem viel zu hohen Preis. Und würde zum Menü noch ein Salat serviert, so würde das vom den meisten Balinesen als Schweinefutter und für den menschlichen Organismus als nicht bekömmlich eingestuft. Nur die Europäer, die selbst gegen Dämonen immun sind, können einen Salat unbeschadet einnehmen

 

Ob das im tendenziell dekadenten Süden der Insel mehrheitlich auch so ist, weiss ich nicht. Ich erhebe auch keinen Anspruch auf Vollständigkeit und schon gar nicht auf Richtigkeit. Eigentlich will ich mir nur mein Entsetzen ob der Esskultur in meiner direkten Umgebung (im Norden der Insel) von der Seele schreiben. Und nachdem geteiltes Leid nur halbes Leid sein soll hoffe ich, dass ganz viele Menschen, deren kulinarische Prägung einen europäischen Einschlag hat, diesen Bericht aufopfernd bis zum Ende durchlesen und mir in Gedanken Mitgefühl und Trost spenden.

 

An dieser Stelle könnte die leise Frage auftauchen warum ich denn nicht auswandere. Zum Beispiel in die Schweiz mit ihrer ausgezeichneten Küche. Diese ehemalige Oase, mitten in Europa, hat sich wenigstens kulinarisch das Beste rundherum einverleibt. Dazu muss ich anmerken, dass Thea ausgezeichnet kocht und es mir persönlich an nichts fehlt. Nein es geht vielmehr um mein tiefes (kulinarische) Mitgefühl den Balinesen gegenüber, das mich tagtäglich belastet. Und auch in der Schweiz würde mich dieses Mitgefühl, nachdem es sich nun einmal entwickelt hat, nicht minder belasten.

 

Eigentlich eher noch mehr belasten als in Bali selbst. Denn hier in Bali adaptiere ich je länger je mehr die hiesige Lebensart. Und dazu gehört unter anderem auch, dass Mitgefühl eigentlich nur gegenüber den Liebesgeschichten der Kriegs-Ahnen angezeigt ist. Allerdings in ausserordentlichen Notfällen ist anstelle der Verantwortung der Sippe gegenüber ein Mitgefühl für kurze Zeit und höchstens sich selbst gegenüber toleriert.

 

Aber ich habe nun einmal in Europa eine rechte Portion humanistischer Erziehung genossen und die wird man selbst in Bali nicht so ohne weiteres los. Also werde ich nun endlich mein Entsetzen über die balinesische Küche erläutern.

 

Ich beginn mal beim Reis.

Wenn ich ausblende welche Plackerei hinter den vielen vielen Reisfeldern steckt, so finde ich sie mit ihren feinen Grüntönen und den harmonischen, in die Landschaft eingebetteten Mustern der Feldeingrenzungen zwar wunderschön. Aber das Endprodukt, dieser weisse pappige Reis, der auch noch so schmeckt, wie er aussieht, mag ich nicht wirklich. Ganz anders der wilde, schwarze Reis, oder der rote aber auch der braune Reis, die haben einen Eigengeschmack. Aber all diese Sorten können sich die Balinesen eigentlich nicht leisten, ausser natürlich für Opfergaben.

 

Aber die Balinesen wissen gar nicht was sie da mit viel viel Fleiss und Arbeit produzieren. Denn für die balinesische Küche spielt die geschmackliche Richtung des Reises überhaupt keine Rolle. Man könnte genau so gut Sägemehl nehmen, wenn es einen Nährwert hätte. Denn der Reis wird mit einer derart scharfen Sauce zugekleistert, dass uns Europäern die Eingeweide durchbrennen würden.

 

Die scharfe Sauce mag auch der Grund sein, warum die Mahlzeit nicht gemeinsam am Tisch bei einem gepflegten Gespräch eingenommen wird. Essen und gleichzeitig Sprechen ist nicht möglich, die Todesrate wäre zu hoch. Und so hockt jeder für sich irgendwo in einer Ecke und widmet sich hoch konzentriert dem Essen. Ich bin mir nicht sicher ob dabei auch das Atmen unterdrückt wird.

 

Aber eines haben uns die Balinesen voraus. Gegessen wird mit den Fingern. Das hab ich mir als Kleinkind schon gewünscht, aber meine Eltern waren dagegen.Und heute ist es definitiv zu spät, ich würde mir an der scharfen Sauce die Finger verätzen.

 

Sollte hier fälschlicherweise der Eindruck entstehen, dass ich übertreibe, so lade ich jeden Leser ein, bei der täglichen Zubereitung der Sauce in unserem Staffhaus zuzuschauen. Ich wette ein Glas roten Hatten-Wein, dass sie/er nach spätestens 30 Sekunden hustend und mit tränenden Augen die Küche fluchtartig verlässt.

Anmerkung zum Wetteinsatz: Hatten-Wein wird in Bali produziert und kann nicht ganz mit ausländischen Weinen mithalten. Aber selbst der schlechteste Wein in Indonesien ist unbezahlbar, sodass ich nur ein Glas davon als Wetteinsatz bieten kann.

 

Nebst der scharfen Sauce benötigen die Balinesen noch eine Unmenge Zucker, Damit wird der Kaffe gesüsst (4 gehäufte Esslöffel Pro Glas). Oder es werden Frappes aus Bananen oder Avocados hergestellt. Eigentlich eher umgekehrt Zucker und Zucker mit etwas Banane oder Avocado.

 

Beim Kaffee, da wird dann wieder zusammen gehockt und geplaudert. Das gemahlene Pulver wird in der Tasse oder im Glas mit heissem Wasser übergossen und es braucht einige Zeit bis sich der Kaffeesatz einigermassen gesetzt hat. Zeit die die Balinesen für Klatsch und Tratsch und Gespräche brauchen.

 

Zum Thema Fleisch und Fisch möchte ich keinen Kommentar abgeben. Ich fühle mich den Fettorgien sowohl kulinarisch als auch schriftstellerisch einfach nicht gewachsen. Obwohl jeder Hausarzt in Europa ob dem Fettkonsum schockiert die Augenbrauen heben würde kann immerhin positiv hervorgehoben werden, dass Fett resp. Öl in Indonesien von Staates wegen cholesterinfrei ist. Dies im Gegensatz zur gesundheitlich überregulierten Schweiz und ihrer erfolgreichen Pharmaindustrie.

 

Ich kann mir vorstellen, dass ein Reisbauer diese Nahrung problemlos wegstecken kann. Aber inzwischen sind längst nicht mehr alle Balinesen Reisbauern. Sie rasen mit dem Motorrad ins Büro oder ins Kaufhaus, oder als Staff zu einem Europäer, oder mit dem Fahrrad (etwas gemächlicher) in die Schule. Und dort verbrenne sie dann nicht die 4000 Kalorien eines Reisbauers. Und so kommt es dass auch auf Bali einige Leute etwas rundlich geraten sind. So wie ich auch, nur bei der Küche von Thea lohnt es sich auch zuzugreifen. Würde sie balinesisch kochen ich hätte schon längst mein Idealgewicht oder auch etwas weniger. Aber in diesem Falle würde ich in einen Hungerstreik treten und müsste zwangsernährt werden. Aber besser eine Infusion als original balinesische Küche.

 

Wenige Balinesen kochen selbst. Sie bedienen sich bei den fahrenden Händlern. Diese sind auf einem umgebauten Fahrrad unterwegs. Jeder mit einer kleinen Soundbox ausgerüstet. Und so hört man von Weitem welcher balinesische Fastfood-Händler sich gerade nähert. Eine Portion kostet an die 5000 bis 10'000 Rupia (0.5 Euro). In der eigenen Küche müsste dafür mehr aufgewendet werden. Und so kommt es, dass nur wenige Balinesen der Kochkunst mächtig sind (sofern man überhaupt von Kunst sprechen will).

 

Aber es gibt durchaus ein paar ausgezeichnete Rezepte:
Frittierte Erdnüsse, Erdnuss-Sauce, Erdnuss-Butter, Erdnuss-Gebäck, Erdnuss-Schockolade und eine Art von Erdnuss-Mousse. Thea hält von solcherlei kulinarischen Höhepunkten nicht all zu viel (gelinde gesagt) und ich musste erst nach Bali auswandern um all diese Leckereien entdecken zu dürfen. Im Versteckten natürlich, des Cholesterins wegen. Ja, ja, die Geschmäcker sind auch im selben Kulturkreis sehr verschieden.

 

Umgekehrt können die Balinesen nicht verstehen, wie wir bereitwillig und lustvoll Gemüse verzehren. Gemüse ist für einen Balinesen alles was nicht Reis, Fleisch oder süss ist, also auch Salat, gilt hierzulande als Gemüse. Und vermutlich weil Gemüse weder vor Fett trieft noch geschmacklos ist, verschmähen die Balinesen diese Nahrung. Auch Brot wird als exotisch empfunden und natürlich Käse, der für einen Balinesen der Inbegriff europäischer Dekadenz ist. Aber dass sie Würste nicht mögen kann ich eigentlich nicht verstehen: hier in Bali eine Wurst zu finden, die nicht vor Fett trieft, ist fast unmöglich.

 

Backen hat in Bali null Tradition. Auch besser gestellte balinesische Familien verfügen über keinen Backofen. Weder mit Holz noch mit Gas und schon gar nicht mit Strom. Stattdessen wird frittiert, was auch den hohen Fettkonsum plausibel macht. Aber selbst Kira, unser Haushund, verschmäht die frittierten balinesischen süssen Leckereien. Eigentlich verwunderlich, dass er trotzdem daran schnuppert. Mir vergeht der Appetit bereits, wenn mir das knallige rosa oder das giftige lindgrün von Weitem entgegen leuchtet. Vielleicht sind Hunde farbenblind.

 

Aber trotz oder vielleicht gerade wegen der mangelnden Erfahrung mit Backwahren, hier scheint ein gemeinsamer Nenner der Esskulturen bei süssem Gebäck zu liegen. Die Rüebli-Torte fand reissenden Absatz unter unsern Angestellten. Und als diese erfuhren, dass der Kuchen eine rechte Portion Karotten enthalte, Karotten die hierzulande eher in der Schweinemästerei verwendet werden, kamen sie zum Staunen kaum mehr heraus. Auch Theas Weihnachtsgebäck findet begeisterte Abnehmer. So erzählte Putu, dass sie das Gebäck am Wochenende im Kreise der Familie und einem Glas Bali-Kaffee genossen hätten. Es sei schön gewesen und alle waren glücklich.