Bäume

 

Auf unserem Grundstück hat es viele 20 bis 30 Meter hohe Bäume. In der Bauphase habe ich sorgfältig darauf geachtet, dass diese auch erhalten wurden. Schon damals gab es Securities. Sie waren vom Generalunternehmer angeheuert um das Ausborgen von Zement, Bodenplatten Rohren usw soweit wie möglich einzudämmen. Denn eine lange Tradition in Bali besagt, dass alles was herrenlos oder uneingezäunt am Strand liegt, von Jedermann in Besitz genommen werden darf. Früher mögen das Baustämme oder gelegentlich auch mal gestrandete Schiffe gewesen sein. Heute kommt dieser Segen in Form von Villen mehr oder weniger nah an den Strand heran. Und da es in Bali keine strengen Normierungs-Stellen gemäss europäischem Muster gibt, kann der Begriff „Strandgut“ sehr flexibel den aktuellen Bedürfnissen angepasst werden.

 

Ebenfalls zu jener Zeit hatte ich einen Assistenten, der als Übersetzer und Fahrer angeheuert war. Er war zwar kein guter Übersetzer und auch kein guter Fahrer aber das wusste ich damals noch nicht und auch nicht, dass sein Salär unanständig hoch war. Und so war ich ganz zufrieden mit ihm. Diesem Assistenten erzählte der Security, dass einer dieser mächtigen Bäume innen hohl sein müsse, da aus einem abgestorbenen Ast während den Regenfällen Wasser heraus schiesse.

 

Bei aller Liebe zu Bäumen: erschlagen will ich von diesen nicht werden. Wir begutachteten den Baum und stellten rasch und auf unangenehme Art fest, dass der Baum über und über mit , grossen, roten Ameisen bevölkert war. Die brächte man runter, meinte mein Assistent, indem man einen Schweinekopf am Fusse des Baumes platziere. Ausnahmslos alle Ameisen kämen dann runter und dort könne man sie problemlos vernichten. Der Security machte ein besorgtes Gesicht und seiner Ehefrau, die den Kiosk der Baustelle führte, war die Angst ins Gesicht geschrieben. Was denn los sei, wollte ich wissen. Und so erzählte der Security dem Assistenten und dieser wiederum mir, dass der Security eine sehr unangenehme Erfahrung mit Geistern auf diesem Grundstück gemacht habe. Spät in der Nacht hätte er Schweinefleisch gegessen, worauf ein bedrohlicher Geist erschienen sei, der sich erst zurückgezogen hätte nach dem der Security von dem Verzehr des Fleisches abgelassen habe. Und der Security war überzeugt, dass der Schweinekopf Unglück über die Baustelle bringen würde.

 

Für mich war Beides absurd: ein nicht hinduistischer Geist und die Schweinekopf-süchtigen Ameisen. Aber die Balinesen haben nun mal einen angeborenen sechsten Sinn für das Übernatürliche und es wäre für die Moral auf der Baustelle nicht förderlich gewesen auf dieses tief verwurzelte Wissen keine Rücksicht zu nehmen.

 

Ich gab dann dem Assistenten den Auftrag, er solle einen Profi organisieren, der diesen Baum fällen könne. Eventuell auch die Feuerwehr, mit ihren langen Leitern oder einen Schaufelbagger, der in der Gegend im Einsatz war. Auch nach einigen Wochen schaffte es mein Assistent nicht, entsprechend ausgebildete Leute aufzutreiben. Nicht dass sich keine Leute gemeldet hätten, im Gegenteil. Jeder der darauf angesprochen wurde behauptete das Baumfäll-Handwerk zu beherrschen oder mindestens jemanden zu kennen, der das problemlos erledigen könne. Nur wenn diese Leute vor dem Baum standen verdoppelten sie den Preis, versuchten dann hochzuklettern und liessen dann kleinlaut von dem Vorhaben wieder ab.

 

Wie auch immer, der Baum blieb stehen und unter ihm wurde dann später ein wunderschöner Garten angepflanzt. Und noch etwas später in der Regenzeit, als die ersten Stürme auftraten, kamen unsere Bedenken wieder hoch und wir fragten unseren Chefgärtner ob er den Baum fällen können. Natürlich, das erledige sein Vorarbeiter Purr. Der stieg auch hoch in den Baum hinauf und hackte die ersten Äste ab. Aber wirklich wohl war ihm nicht dabei. Und als er sich zu allem Überdruss noch mit dem Hackmesser verletzte gab er das Vorhaben auf. Aber sein Schwiegervater, der sei ein Profi und der werde das mit seiner Mannschaft schon schaffen. Ich war froh als der Schwiegervater nach 4 Metern hochklettern das Handtuch warf, denn einen Unfall wollte ich unter keinen Umständen auf meinem Grundstück.

 

Menschliche Schwächen, auch wenn, sie noch so gemein und hinterhältig sind, werden in Bali nachsichtig behandelt. Die direkt Betroffenen reden vielleicht nicht mehr miteinander. Aber man wird sich auch dann noch mit einem Lächeln bei den Zeremonien oder bei der Arbeit begegnen. Ganz anders wenn man böse Geister auf seinem Grundstück hat, dann wird man zum Aussätzigen und von jedermann (ohne lächeln) gemieden. Böse Geister manifestieren sich z.B. dadurch, dass ein ungeübter und ungesicherter Baumfäller vom Baum herunter stürzt.

 

Nun ist es leider unmöglich herauszufinden ob ein Balinese in irgend einer Fertigkeit geübt ist, selbst dann, wenn ein Ausweis vorhanden ist. So besteht zB die Führerprüfung für ein Motorfahrzeug darin, dass von einem Kandidaten ein Photo erstellt werden kann und dieser in der Lage ist die administrativen Umtriebe zu bezahlen. Und da jeder Balinese in seiner Jugend sicher ein oder zweimal von seinen Eltern auf einen Baum gehievt wurde, wird so ziemlich jeder Balinese behaupten er sei darin geübt; insbesondere dann, wenn er mit seinen Ratenzahlungen für das Motorrad gerade in Schieflage ist und das ist so ziemlich jeder Balinese so ziemlich jederzeit.

 

Um bösen Geistern zuvorzukommen hatte ich entsprechende Gerätschaften zum Sichern und Anseilen im Süden der Insel gekauft. Alle echten und unechten Baumfäller beteuerten das Sicherungsgerät garantiert zu benutzen. Inzwischen sollte ich eigentlich wissen, dass es in Bali mit Garantie für gar nichts eine Garantie gibt. Aber einmal mehr vertraute ich völlig naiv auf die Redlichkeit der Leute. Oben im Baum erinnerten sich alle der überlieferten Kletter-Traditionen und überhörten meine Zurufe, sich zu sichern, mit der unnachahmlichen Leichtigkeit balinesischer Umgangsformen.

 

Und dann kamen wirkliche Profis. Mit einer riesigen Motorsäge. Wir bestimmten welche Bäume gekappt werden sollten. Wir waren uns einig, dass dabei kein Flurschaden entstehen durfte. Und wir waren uns über den Preis einig. Und selbstverständlich wollten sie sich hoch in den Bäumen sichern.

 

Den ersten, wirklich gefährlichen Baum schafften sie mit Bravour. Wenn man darüber hinweg sieht, dass es dem ersten Klettere in der luftigen Höhe schlecht wurde. Aber das darf man nicht werten, da ihn möglicherweise meine Zurufe, er solle sich endlich Sichern, verwirrt haben könnten. Allerdings, es blieb ein hässlicher, etwa 10 Meter hoher Baumstumpf übrig. Und den wollte ich etwa bis auf 4 Meter gekappt haben.

 

Das sei sehr schwierig und im Preis nicht eingeschlossen, das koste 1 Mio extra. Aber dafür würden sie dann das viele herumliegende Holz auch entsorgen. Wir vertagten das Geschäft bis nach der Mittagspause.

 

Frisch gestärkt hockten wir alle auf dem Boden und bildeten dabei einen Kreis. Nach einer Stunde war alles geklärt. 4 Bäume, alle bis auf 4 Meter herunter geschnitten. Das Kappen sollte in mehren Etappen erfolgen, so dass keine Flurschäden entstehen. Und die Leute würden in den Bäumen nur in gesichertem Zustand arbeiten. Dazu bräuchten sie noch 3 extra starke Seile, die ich zu besorgen hatte. Der ursprüngliche Preis von 1,4 Mio erhöhte sich auf 5 Mio. Aber sie kamen mir entgegen und wir einigten uns auf 3.5 Mio kombiniert mit einer Konventionalstrafe von 1 Mio, falls dabei die Einrichtungen der Grundwasserfassung in die Brüche gehen würde.

 

Um es kurz zu machen: das einzige was wirklich erfüllt wurde war die heil gebliebene Grundwasserfassung. Und dies auch nur, weil der 4. und letzte Baum nicht gefällt wurde. Er sei zu gefährlich und die vorgesehene Halterung mit den 3 extra starken Seilen (1 Mio) an den umliegenden Bäumen könne nicht angebracht werden, da diese mit ihrem mächtigen Stammdurchmesser nicht bestiegen werden könnten. Aber sie könnten den Baum auf klassische Weise, knapp über dem Wurzelstock fällen. Dabei könnten sie für allfällige Schäden aber keine Garantie übernehmen. Ich verzichtete darauf die Grundwasserfassung eine Palmengruppe, diverse Blumenbeete und die Hälfte des Fischteiches zu zerstören. Das erledigt der nächste Sturm günstiger und erst noch besser, da sich die mutmassliche Bruchstelle hoch oben im Baumstamm befindet und somit der Schaden einigermassen begrenzt bleiben wird. Ab sofort erhielten die Staff's die Anweisung sich bei Sturm nicht im gefährdeten Areal aufzuhalten.

 

Die Schlussbilanz präsentierte sich wie folgt: 3 statt 4 Bäume knapp über dem Wurzelstock gefällt. Ein mächtiger, inzwischen aber vollständig zerstörter Jepun-Baum, einige kleinere Schäden in der Wiese (als ob eine kleine Bombe eingeschlagen hätte), drei mittelgrosse Palmen, einige Sträucher und Blumenbeete. lädiert.

 

Ich lobte die Leute für ihre umsichtige, professionelle Arbeit, das verantwortungsvolle Risikomanagement und schlug einen Preis von total 2 Mio vor (was ja immer noch mehr sei als der ursprüngliche Preis für 4 Bäume). Wir einigten uns bei 2,2 Mio und die Leute zogen eine Idee zu glücklich von Dannen.