Wasser
Wasser haben wir reichlich. Vom Governement (was nicht selbstverständlich ist) oder von der Grundwasserqelle oder aus Flaschen. Und natürlich auch vom nahen Fluss, von wo wir in der Trockenzeit notfalls das Wasser mit eine Motorpumpe zu unseren durstigen Pflanzen bringen können.
Aber zur Zeit haben wir ja Regenzeit und die Pflanzen werden eindeutig zu reichlich durch den Regen getränkt. Und zusätzlich und definitiv all zu reichlich auch durch den Fluss.
Und das kam so:
Unser Generalunternehmer wollte damals auf dem Nachbarsgrundstück die Parzellen mit einer Brücke über den Fluss verbinden. Damit die Brücke nicht unnötig teuer würde, entschloss er sich den Fluss an dieser Stelle zu verengen. Damit wurde die Brücke kürzer und zusätzlich gewann er weiteres, verkäufliches Land.
Stolz erzählte er mir seine Cleverness. Nur damals verstand ich von fliessenden Gewässern nicht all zu viel, sodass ich nicht auf die Idee kam, dass sich der Fluss bei Hochwasser rückstauen könnte, dass sich in der Folge der Flusslauf verändern könnte und als unerwünschtes Nebenresultat unser gesamtes Grundstück überfluten könnte.
4 Jahre später war es dann soweit. Sei es wegen des La Nina, der Uno-Konferenzen zum Klima, oder eine Laune der Natur die Regenzeit dauert inzwischen bereits ein Jahr und bringt täglich aber mindestens wöchentlich heftige Regenfälle. Die lassen den Fluss anschwellen, der sich zurückstaut, usw usw.
Ich wachte ob dem Gebell der Hunde auf, zündete die Scheinwerfer an und erblickte rund ums Haus Wasser, Wasser, Wasser soweit das Auge resp. die Scheinwerfer reichten. Eigentlich eher eine braune Brühe, selbst im Pool, der ca 10 cm tiefer als die Böden des Wohnhauses liegt. Das bedeutete, dass das Workhaus, das Gästhaus und das Staffhaus unter Wasser standen. Aber ansonsten war es eine stille und klare Nacht, mit dem Mond und den Sternen geradezu romantisch, wenn man etwas weiter vom Fluss entfernt gewohnt hätte.
Inzwischen war auch der Security aufgewacht. Vielleicht wegen dem Hundegebell oder vielleicht wegen der nassen Füsse, die er im Workhaus (sein bevorzugter Schlafplatz) bekommen hatte. Um zum Wohnhaus zu gelangen musste er bis über die Knie durchs Wasser waten. Dabei stolperte er über den verborgenen Wegrand und verstauchte oder brach sich den Knöchel. Ich hiess Ihn sich auf einen Stuhl zu setzen, das Bein hoch zu lagern und zu warten, Hilfe war kurzfristig sowieso nicht möglich, da natürlich auch die Zufahrtsstrassen unter Wasser waren.
Nun kümmerte ich mich um die Prioritäten: Tepiche rauf, Safe-Inhalte rauf, Vorhänge rauf, Möbel rauf, Ordner rauf, Computer rauf. Nur um das Auto musste ich mich nicht kümmern, das war zusammen mit Thea in Denpasar beim Einkaufen. Und für das Motorrad war es definitiv zu spät, das stand bis über die Lenkstange im Carport unter Wasser.
Während diesen Arbeiten hörte ich einen dumpfen Knall. Kurz darauf sank der Wasserpegel zu meiner Erleichterung unerwartet rasch. Wie sich später herausstellte war die Grundstückmauer ob des Wasserdruckes nach aussen gekippt, sodass sich das Wasser seinen Weg zum Nachbarn suchte. Des einen Glück des andern Pech könnte man sagen. Die Balinesen erklären das damit, dass die Summe aller negativen und positiven Kräfte konstant sei. Nur dessen Zuteilung zu den Individuen könne man mit Opfergaben beeinflussen (oder so ähnlich).
Inzwischen war auch die Strasse wieder befahrbar und Gede, einer unserer Gärtner aus dem angrenzenden Dorf schaute besorgt bei uns herein. Ob er was helfen könne, fragte er auf indonesisch. Ich verstand zwar kein Wort, wusste aber was er meinte. Ich zeigte auf den Security, dann auf dessen Fuss und machte eine Geste als ob ich etwas zerbrechen wollte, sodass der Security noch weisser wurde als er bereits war. Dann die Wörter Motorbike, Rumah Sakit (Krankenhaus), X-Ray (Röntgen). Er verstand und verschwand mit dem Security auf dem Motorrad-Rücksitz in die Nacht.
Das Wichtigste erschien mir, dass wir wieder Wasser hätten. Nicht braunes sondern klares sauberes, das auch für die WC Spülung gebraucht wird. Die Sicherung im Technikhaus hatte bemerkt, dass mit der Pumpe irgend etwas nicht stimmen konnte und hatte den Strom unterbrochen. Also alte Pumpe raus und die Reservepumpe aus dem Lager rein, Sicherung rein und dann endlich und so rasch als möglich zum WC. Es ist schon erstaunlich welche Bedürfnisse auch in der grössten Not prioritär sind.
Nun wollte ich mit der Motorpumpe das restliche Wasser (immerhin noch 40 cm) aus dem Gelände ins Meer pumpen. Nur der Drainage Schacht war nicht dort wo ich ihn unter der braunen Brühe vermutete, sodass ich mit einem Bein im gesuchten Schacht landete. Jetzt fühlte ich mich plötzlich etwas einsam im fahlen Mondschein im Wasser sitzend mit meinem aufgeschlagenen Schienbein und der verstauchten Zehe, die sich eher als gebrochen anfühlte.
Verwunderlich, was man alles schaft, wenn es wirklich unumgänglich ist. Und so kam ich ohne nennenswerte, weitere Unfälle zurück zum Wohnhaus. Gerade rechtzeitig um das Röntgenbild vom Security-Fuss , das Gede vom Spital zurück brachte, bestaunen zu dürfen. Verstaucht ,aber nicht gebrochen war die Diagnose. Und da man Zehen bekanntlich nicht eingipsen kann verzichtete ich darauf von einem allfälligen Mengenrabatt zu profitieren und auch von meinem eigenen Fuss ein Röntgenbild erstellen zu lassen.
Ausserdem hatte ich Gescheiteres zu tun: Duschen, Wunden säubern, desinfizieren und verbinden und frisch einkleiden. Inzwischen begann die Morgendämmerung und bei einer Zigarette und einem Kaffe genoss ich das erste Vogelgezwitscher in der fast beängstigende Ruhe.
Es wurde ein arbeitsreicher Morgen. Die Mitarbeiter in die ersten Aufräumarbeiten einweisen, Fotos für die Versicherung erstellen, das Errichten eines provisorischen Zauns organisieren (der Hunde wegen), die Pumpen bei der Quelle wieder flott machen, den Pumpenraum des Pool leerpumpen, einen Hochdruckreiniger organisieren, Fehlerstom-Sicherungen überbrücken, Wunde wiederholt desinfizieren und balinesische Gleichmut ausstrahlen.
Aber das grösste Kopfzerbrechen bereitete mir die Frage: „wie sag ich's meiner Thea“. Die war ja in Denpasar beim Einkaufen und hatte hoffentlich gut geschlafen, sodass sie nicht völlig ausgelaugt sich auf die Rückfahrt begeben müsste. Wenn ich zu früh anrufen würde, dann würde sie die Einkaufstour unnötigerweise abbrechen und wenn mein Anruf zu spät käme, dann fühlte sie sich ausgeschlossen und wäre zu recht beleidigt.
Um 10:15 erwischte ich sie präzise an der Kasse im Supermarkt. 4 Stunden später war sie dann dort wo sie sich normalerweise zu Hause fühlt. Aber immerhin, die 10 cm dicke Schlammschicht auf der Zufahrtsstrasse zum Wohnhaus war bereits entfernt, sodass die Einkäufe unbehindert ins Trockene gebracht werden konnten.
Dann tranken wir zusammen einen Schnaps und nach weiteren 5 Tagen und dem Einsatz von 10 bis 15 Hilfskräften war das Schlimmste gereinigt und aufgeräumt. Etwas zusätzlichen Stress brachte nur meine Beinverletzung. Die war inzwischen hochgradig infisziert und musste notfallmässig unter einer Vollnarkose operiert werden. Also eine Nacht in einem weiteren Bali-Spital. Vielleicht gebe ich nächstens meine Erfahrungen mit Bali-Spitälern als Guide heraus. Ich würde mich ob der Geldangebote für die zu vergebenden Sterne kaum erwehren können.
Zur Zeit sind die Arbeiter noch mit dem Hochziehen der neuen Mauer beschäftigt, die Pläne für die Fluss-Verbauungen sind erstellt und in den nächsten Tagen werden auch diese Arbeiten aufgenommen. Aber vielleicht kommt es wie mit der Brandungsmauer zum Meer. Damals als das Meer allen Sand weggespülte und die Mauer freigelegt hatte, entschlossen wir uns eine zusätzliche Brandungsmauer zu bauen. Als diese fertig war kam mehr Sand als je zuvor wieder zurück.
Aber eigentlich soll, so sagen einige Leute unabhängig voneinander, die Überflutung auf einen Bann eines Holy-man in den Bergen zurückzuführen sein. Dieser sei beim Verkauf des Landes durch meinen damaligen GU beschissen worden und hätte aus Rache einen Fluch auf diesen Teil des Flusses gelegt. Der mit der Flussverbauung beauftragte Unternehmer ist eigens (mit dem Auto) in die Berge gepilgert und bat den Holy-man seinen Fluch von den anständigen Leute in der Umgebung des Flusses ab zu lenken.
Er soll zugestimmt haben.
Zumindest unsere Pflanzen scheinen an die Kräfte des Holy-man zu glauben. Sie haben sich in der Zwischenzeit bemerkenswert rasch vom erstickenden Schlamm erholt.