Zeremonie
Gastartikel: Thea Ami
Gestern war Zeremonie für unser Grundstück, für die darauf stehenden Häuser und - auf ganz speziellen Wunsch des Fahrers - auch für das Auto
Diese Zeremonie war ja von unseren Angestellten schon länger gewünscht, eigentlich eher gefordert worden. Alles und jedes, was nicht ganz rund lief, wurde auf das Fehlen eben dieser Zeremonie zurückgeführt. Einerseits ist das ein wesentliches Element des kollektiven Bewusstseins andererseits entzieht sich so das Individuum seiner persönlichen Verantwortung. Aber wirklich verstehen werden wir Europäer das kaum jemals können.
Der Vater unseres Nameholders ist Priester und für solche Zeremonien autorisiert. Es ist sehr wichtig, dass alles von
Anfang an richtig "aufgegleist" ist. Sonst läuft man Gefahr, von den Dorfpopanzen ausgenommen zu werden. Gewarnt durch ein derartiges Erlebnis eines Bekannten haben wir alles dem Namholder,
übergeben, damit er das über seinen Vater organisiert. Dieser hat das Datum festgelegt, die vielen Hilfskräfte aufgeboten und den Standort für die zwei Tempel bestimmt, einen beim Eingang mit Blick
zu den Bergen und einen am Strand mit Blick zum Meer. Die Tempel fügen sich - ohne zu dominieren - in das Grundstück ein. Vielleicht sind sie einen Tick zu üppig geschmückt, aber mit dem Ausbleichen
der Farben durch die Sonne wird sich das geben.
Eigentlich warten wir (wegen unserer Staffs) schon seit einigen Wochen auf diese Zeremonie, aber scheinbar hat man einfach nicht das beste Datum finden können. Und als es dann endlich feststand, das beste Datum, blieben grad mal noch 3 Tage um alles zu organisieren. Zum Glück hat Priester eine Ehefrau mit entsprechenden Freundinnen, die die ganzen Vorbereitungen gemacht haben. Es ist unvorstellbar, was da alles gebraucht wird. Ohne eine solch gut eingespielte "Profimannschaft" wäre das nicht zu machen. Wir hatten schon so unsere Bedenken, ob die Zeit ausreichen wird, da ja die Tempel noch nicht aufgestellt waren.
In Bali wird alles, aber auch wirklich alles zwei- bis dreimal gemacht. Dachten wir bis jetzt. Eine Ausnahme scheint aber das Setzen der Tempel mit entsprechendem Fundament zu sein. Der damit beauftragte Maurer hat schon
fast beängstigend akribisch gearbeitet, er wässerte sogar die vorgefertigten Zementteile, bevor er sie zusammengesetzte, hat dann sicher 10-mal mit der Wasserwaage alles ausnivelliert, trat zurück um
den Gesamteindruck beurteilen zu können um dann endlich die Teile sorgfältig mit Mörtel zusammenzufügen. Häuser bauen
respektive Tempel errichten scheint etwas völlig anderes zu sein. Ist ja auch einleuchtend: das Eine für die Devisengötter, das Andere für die wirklichen Götter.
Am Sonntagvormittag war auch der zweite Tempel fertig aufgestellt, und die für 3 Uhr angesagte Zeremonie konnte stattfinden. Wir haben die Familien unserer Angestellten dazu eingeladen, weil es ja in erster Linie ihr Fest sein sollte. Dazu kamen auch alle am Bau beteiligten Unternehmer sowie die grad auf dem Gelände sich befindlichen Handwerker und eine Handvoll Europäer. Alles in allem so rund 50 Leute.
Meine Mädels haben bereits am Samstag je eine Freundin mitgebracht. Am Samstag wurde alles sauber geputzt, am Sonntag gekocht und heute Montag wieder geputzt und aufgeräumt. Sämtliche Spuren sind bereits wieder beseitigt.
Zur Zeremonie selber:
Um halb zwei fährt ein Kleinlastwagen vor mit allen "Zutaten". Unmengen von Bambus-körbchen und Blumengestecken, geheimnisvoll umwickelte Gras-büschel mit unbekanntem Inhalt, Opfergaben in allen Variationen. Plaketten, Bänder und Stoff-bahnen glitzernd von Gold- und Silberpailletten und eingewebten Fäden. Schirme und was sonst noch so alles notwendig ist. Nicht fehlen dürfen die beiden Spanferkel - je eines pro Tempel. (Bali-Götter sind hungrig!!!). Die mit dem Kleinlaster gleichzeitig eingetroffenen Frauen - alle in Zeremoniekleidung - verteilen die Opfergaben an sämtliche dafür notwendigen Stellen im Gelände auf speziellen, nur für Zeremonien vorgesehenen Bastmatten.
Der Chefpriester lässt seine zwei Jungprister an die Arbeit. Von den Gästen meist unbeachtet bringen sie die Segensprüche und Opfergaben für das Grundstück, die Gebäude, das Auto aber am intensivsten und längsten bei den Tempeln an. Dabei werden sie von den (Ehe ?) Frauen unterstützt. Diese reichen für jedes Gebet die notwendigen Gaben: rituelle Gegenstände, Blumen, Wasser sowie die Grasbüschel mit denen das geweihte Wasser dann versprengt wird. Dabei werde ich irgendwie den Eindruck nicht loss, dass die Frauen der Priester die treibende Kraft hinter der Zeremonie sind und die Priester selbst nur den, ihnen zugewiesenen Part pflichtgemäss, aber doch ernsthaft, verrichten. Nach 2 1/2 Stunden beenden sie, etwas erschöpft, die Zeremonie.
An einem Punkt der Zeremonie versammeln sich die Anwesenden in einer Kolone und laufen, angeführt durch die Priester,
entlang der Grenze des Grundstückes. Die Priester verprengen Wasser, streuen Blüten aus und murmeln Beschwörungsformeln. Die Staffs sind mit Stöcken ausgerüstet und schlagen damit heftig auf
die Erde um die bösen Dämonen, Kobolde und Geister, die sich allenfalls noch auf dem Gelände befinden könnten zu verscheuchen. Diesem Teil der Zeremonie wird mit viel Spass und Eifer
nachgekommen.
Als alles fertig ist, geht's an Essen. Ein Spanferkel (schon eher eine mittelgrosse Sau) wird aufgeschnitten. Die Leute stürzen sich aufs fette, ungewürzte Fleisch, das Gemüse, die unheimlich scharfe Sosse und den Reis. Dazu wird viel getrunken, wenig geredet und bei Bedarf nachgefasst. Das geht relativ hastig vor sich und alle verabschieden sich danach sehr rasch. Aber für die Balinesen sei es "eine gelungene Party" gewesen, wie uns die Leute versichert haben.
So gegen 18.00 Uhr sind die gröbsten Spuren beseitigt und die Staffs gehen ganz erschöpft - aber glücklich, wie es scheint - nach Hause. Das Fleisch vom einen Spanferkel reichte für alle hungrigen Mäuler. Ein weiteres dieser unmöglichen Dinger teilen sich die Staff unter sich. Jeder nimmt soviel nach Hause, dass die ganze Familie inkl. Freunde, satt werden. Das dritte geht zurück zu den Frauen, die alles vorbereitet haben. Diese teilen das Fleisch unter sich auf.
Ich kann nicht sagen, wie froh ich war, als all das "grauslige" Zeugs - gemeint die ganzen grillierten Viecher - wieder aus dem Haus war. Und dank einer relativ kühlen, luftigen Nacht war auch der schwere Fettgeruch am Morgen nicht mehr riechbar. Ich hätte auf jeden Fall keinen Bissen runtergebracht. Und hier würden die Leute fast morden für "Babi Gulling", wie Spanferkel auf Indonesisch heisst. Aber Essgewohnheiten in Bali, das ist ein Thema für sich. Das Zeug schmeckt entweder unendlich fad oder so scharf, dass man glaubt innerlich zu verbrennen. Und alles ist fett oder süss
Haus, Gelände und Fahrzeug sind nun - nach Ansicht der Balinesen - endlich "save", und wir können nun alles beruhigt nutzen. Und falls wieder Erwarten doch etwas geschehen sollte, was wirklich nur in
Ausnahmefällen vorkommen soll, so müssten wir dann nur eine kleine Folgezeremonie durchführen. Was mich zur Frage veranlasst, warum denn auf Bali so viele Zeremonien notwendig sind. Vielleicht weil
es auch Spass macht.