Gras
Falsch!! Nicht was die heutige Jugend und die vermeintlich jung gebliebenen in den europäischen Städten als Religionsersatz konsumiert und dessen Anbau in Indonesien unter Todesstrafe steht. Obwohl auch hier je länger je mehr junge Menschen anstelle der täglichen Opfergaben sich einen Joint gönnen. Nein, nein, mit Gras meine ich diese grünen, meist kurzen Pflanzen, die an vielen Stellen den Boden bedecken.
Die soziale Stellung auf einem möglichst hohen Niveau zu sichern scheint für alle Menschen ein Urbedürfnis zu sein. Bei den Balinesen geschieht dies über aufwändige Opfergaben, bei den in Bali lebenden Ausländern über den Rasen. Dabei gilt: je exotischer die Grassorte und je aufwändiger dessen Pflege um so höher das Prestige. Das bedeutet, dass der Rassen mit viel Wasser und Dünger und Schneiden gehegt und gepflegt werden muss. Das wird solange perfektioniert bis alle Ausländer in der Umgebung ihren Neid nur noch mit grösster Selbstbeherrschung verbergen können. Dabei geht es nicht primär um die grosse Arbeit oder die getätigten Investitionen. Vielmehr richtet sich der Neid auf das Geschick des Besitzers die angestellten Balinesen überhaupt dazu zu bringen eine, aus deren Sicht, so sinnlose Tätigkeit tagtäglich sorgfältig zu verrichten.
Das geht auch 2 bis 4 Jahre gut. Bis dann durch das viele Wässern und Düngen der Boden ausgelaugt und versalzen ist und ein neuer Rasen auf neu zugeführter Erde angepflanzt werden muss. Aber nach 2 bis 4 Jahren ziehen sowieso die meisten Ausländer wieder aus. Sodass sich wenigstens dieses Problem erledigt.
Ich will Gras, das natürlich wächst und auch in der Trockenzeit ohne Wasser auskommt. Sage ich zu meiner kleinen Geisha (meine Betreuungsperson). JäschJäsch, bekomme ich zur Antwort gefolgt von den Preisangaben für japanischen und englischen Rasen. Ich will nicht 2 Gärtner ausschliesslich mit Rasengiessen beschäftigen, ganz abgesehen davon, dass ich das dazu notwendige Wasser und den Strom für die Pumpen nicht habe. Dabei zeige ich meiner kleinen Geisha einen Grasflecken, über den schon dutzende von Lastwagen fuhren, der seit 6 Monaten kein Wasser sah und immer noch sattgrün leuchtet. Dieses oder ein ähnlich robustes Gras will ich. Jäschjäsch, dieses Unkraut gibt es überall auf Bali und es hat eine ähnliche grüne Farbe wie englischer oder japanischer Rasen.
Ich schalte den Nameholder ein. Er hört mir eine zeit lang zu.und unterbricht mich dann mit einem völlig unbalinesischem „no". So wende ich mich an den Generalunternehmer. Er findet die Idee originell aber gewöhnungsbedürftig, er werde sich darum kümmern. Erfolglos. Also frage ich die Taglöhner, ob sie solches Gras beschaffen könnten. Die ziehen sich in eine Ecke zurück und beraten etwa eine Stunde (auf meine Kosten). Sie müssten zuerst Abklärungen treffen. Nach zwei Tagen erhalte ich eine ausführliche 10 minütige Antwort. Hier nur die Zusammenfassung: no.
Die wenigen Grasbüschel „meines" edlen Unkraut-Grases lasse ich einsammeln und in einer anderen Ecken des Grundstückes schön ordentlich einpflanzen. Dort wird es täglich bewässert und das als Unkraut geltende Gras gedeiht prächtig. Überhaupt mit dem Wort Unkraut stehe ich auf Kriegsfuss. Alles was grün ist und ohne Zutun wächst wird als Unkraut bezeichnet. Dabei wäre es doch viel treffender alle Pflanzen, die nur mit Dünger und unendlich viel Pflege und Wasser schwächelnd vor sich hin gedeihen als Unkraut zu bezeichnen. Aber wer kann heutzutage überhaupt noch beurteilen wie das Wort Unkraut politisch korrekt eingesetzt werden darf.
Und dann kommt die Überraschung: 3 Wochen nachdem das Gras so ca 20 cm Höhe erreicht hat wird es von unseren Gärtnern mit der Sichel geschnitten und die Abschnitte an einem neuen Platz in den Boden gesteckt. Aus 10 Quadratmetern lassen sich so leicht weitere 20 Quadratmeter bepflanzen. Das scheinen die Taglöhner nicht gewusst zu haben, denn für 20'000 Rupia, die ich pro Quadratmeter bot, hätten die ohne viel Arbeit für balinesische Verhältnisse ein riesiges Geschäft daraus machen können.
Den Anbau des Garten wollten wir in 1 bis 2 Jahren sukzessive gestalten. Mit der Steckling- Technik hätten wir das Raymond-Gras, wie es inzwischen genannt wird, innert 8 Monaten auf dem ganzen Grundstück ausgebreitet gehabt, was ganz gut in den Zeitplan hinein gepasst hätte.
Aber nackte Erde in Bali ist entweder matschig sumpfig oder hart wie Beton oder staubig wie Mehl. So langsam kamen mir Zweifel hoch, ob die Raymond-Gras Strategie das Richtige wäre. Zufällig schnitt Thea das Thema just in diesem Zeitpunkt an. Sie führte gute Gründe auf, das ganze Grundstück vorab mit anständigem, käuflich erwerbbarem pflegeleichten Java-Gras bepflanzen zu lassen. Wir können ja später, wenn wir damit Erfahrung gesammelt haben, das Raymond-Gras sukzessive ausbreiten, meinte sie. Für die Bäume, Sträucher und Blumen könnten wir uns wie geplant Zeit lassen.
OK, sagte ich
Und dann fuhren sicher an die 10 Lastwagen Gras herbei. Und die Taglöhner pflanzten das Gras Flecken um Flecken ein. Das Ganze sah jämmerlich aus. Auch nach 4 Wochen und das trotz fleissigem Wässern. Aber der Gärtner schaute zufrieden drein und Thea meinte ich müsse Geduld haben. Nach 6 Wochen, Thea hatte geduldig ihre Geduldsparolen wiederholt, kam der Gärtner und sagte: jetzt werden wir düngen und wässern und in einer Woche werden wir einen wunderschönen Rasen haben. Ich kann mich täuschen, aber ich glaube auch in Theas Mimik gewisse Zweifel entdeckt zu haben.
Erwartungsgemäss sah der Rasen nach einer Woche immer noch jämmerlich aus. Aber dann, beinahe über Nacht hatten wir plötzliche einen geschlossenen, satten, grünen Rasen. Und tatsächlich, der Rasen benötigte kaum Wasser. Nur unter den Bäumen sah er immer noch jämmerlich aus. Dort begann auch so genanntes Unkraut zu wachsen. Genauere Untersuchungen ergaben ,dass es sich um Raymond-Gras handelte. Skeptisch liess sich der Gärtner dazu überreden an diesen Stellen das Raymond-Gras gezielt einzupflanzen. Es gedieh, zum Erstaunen des Gärtners, prächtig. Wie sagt man so schön: Unkraut verdirbt nicht. Nur auf jenen Plätzen wo niemals die Sonne hin kommt, hatte auch dieses Gras keine Chance. Aber das waren nur noch läpische 300 Quadratmeter und die liessen wir später mit einer Blatt ähnlichen Bodenpflanze bedecken.
In dieser Zeit kamen auch des öfteren fliegende Händler auf ihrem Motorrad vorbei und boten uns Pflanzen an. Wayan verhandelte mit ihnen so gegen eine Stunde und für 500'000 statt für 1'000'000 RP erhielten wir an die 20 Büsche, Bäume oder Blumen. Die wurden dann mehr aber eher weniger fachmännisch irgendwo im Grundstück eingepflanzt. Nach 8 Wochen sah das Grundstück immer noch wie ein Fussbaldfeld aus: Rasen soweit das Auge blickte. Mal ganz abgesehen von der benötigten Menge an Pflanzen und den damit verbundenen Kosten, ich begann langsam am Zeithorizont von 2 Jahren zu zweifeln.
Zufällig schnitt Thea das Thema just in diesem Zeitpunkt an. Sie berichtete, dass der Gärtner auch beliebige Pflanzen aus Java liefern könne. Und das zu einem Preis, der etwa 5 bis 10 mal unter demjenigen der fliegenden Händler liege. Und das Ganze würde dann auch fachmännisch und nach unseren Gestaltungswünschen eingepflanzt.
OK, sagte ich.
Und dann kam er. Ein völlig überladener Lastwagen. Alleine das Abladen benötigte 6 Mann und dauerte 4 Stunden. Fein säuberlich wurden die Pflanzen dicht an dicht sortiert und auf dem Grundstück ausgelegt. Es sah aus wie auf einem Planzenmarkt.
Aber nachdem die Pflanzen innerhalb von 3 Tagen verteilt und eingegraben waren, sah es immer noch wie ein kahles Fussballfeld aus. Keine Sorge, meinte Thea, das sei ja erst die erste Lieferung. Wieviele es denn werden würden? 2 bis 3 Lastwagen würde es schon benötigen. Es kamen dann 11 oder 12, so genau weiss ich es nicht mehr.
Wir hatten eine grobe Vorstellung wie die Pflanzen angeordnet werden sollten. Unregelmässig, in Inseln gruppiert. Und keine geraden Linien! Vor allem Letzteres war den Gärtnern völlig fremd. Aber nach einigen Korrekturen und Umpflanzen merkte selbst der letzte Gärtner, dass dies ein etwas anders gestalteter Garten werden sollte.
Jetzt sah das Ganze nach etwas aus. Das grüne Fussballfeld hatte sich gewandelt. Aber dann kamen noch Lastwagen mit Palmen und Jepunbäumen. Und die letzte Lieferung war sogar von einer Polizeieskorte begleitet. Hübsche mannsgrosse Bonsaibäume, die nur mit einer Ausfuhrgenehmigung, die Insel, auf der sie gezüchtet werden, verlassen dürfen. Preislich eigentlich ein Verhältnisblödsinn, aber wir bekamen sie weit, weit unter dem üblichen Handelspreis.
Es gäbe einen sehr ähnlichen Garten in Jakarta aber dort müsse man Eintritt bezahlen. Und ob wir die Anlage auch als Touristen-Attraktion zur Verfügung stellen wollten. Wir wollten nicht. Und ausserdem sei es uns mit unserem Retired-Visum nicht erlaubt auf Bali Geschäfte zu machen.
Und jedes mal, wenn der Pflanzenlieferant wieder vorbei schaut gluckst er zufrieden. Vermutlich nicht einmal der hohen Geldbündel wegen, nein es gefällt ihm ebenso, das ist auch sein Werk, sein Garten.